Im Dialog mit dem Wald

Ein Wald. Still, atmend, vielstimmig. In seiner Tiefe zieht sich eine Linie – weiss, präzis, von Menschenhand gemacht. Sie verläuft zwischen Stämmen, über Moos. Kein Zaun. Keine Barriere. Nur eine Geste. Ein Vorschlag.

Auf dem Mont Soleil im Schweizer Jura, wo Windräder über Baumwipfel kreisen und Technik das Land durchdringt, beginnt diese Arbeit. Hier, wo Kultivierung auf Wildheit trifft, wo Natur nicht mehr unberührt ist, sondern in Beziehung steht – mit uns, mit sich selbst.

Die weissen Schnüre sind Eingriffe – bewusst, klar, sichtbar. Und doch kein Bruch. Sie erinnern an Myzelien: feine Netze, die verbinden, ohne zu trennen. Kommunikation ohne Worte. Die Linie als Brücke – zwischen Baum und Baum, zwischen Mensch und Raum.

Die japanische Praxis des Waldbadens sagt: „Wenn wir dem Wald zuhören, hören wir uns selbst.“ Auch diese Linie ist ein Lauschen. Ein vorsichtiges Sprechen. Eine Inszenierung des Dialogs zwischen Natur und Mensch.

Der Wald ist hier nicht Kulisse. Er antwortet. Wird Resonanzraum. Die Installation entsteht vor Ort, im Gehen, im Verweilen. Licht, Wetter, Schatten verändern das Bild. Die Kamera begleitet diesen Wandel – nicht als blosse Dokumentation, sondern als Teil der Arbeit. Sie beobachtet, verdichtet, reflektiert.

Elif Shafak schreibt: „Jeder Ort ist mehr als seine Koordinaten – er ist Erinnerung, Beziehung, Bedeutung.“ So versteht sich auch diese Arbeit: als flüchtige Ordnung im lebendigen Chaos. Eine stille Behauptung, dass wir nicht nur Nutzer dieser Welt sind – sondern Teil ihrer Sprache.

Weiter
Weiter

Zeitschichten – Bern zwischen gestern und heute